DIE VENEDIG BIENNALE 2019: „MAY YOU LIVE IN INTERESTING TIMES“

Foto: Isabell Flohr

„Mögest Du in interessanten Zeiten leben …“ – ein chinesischer Fluch, dessen Herkunft zweifelhaft ist, aber als Redewendung in Politik und Literatur immer wieder aufgegriffen wurde und Zeiten von Unsicherheit und Krise beschreibt. Auch der Kurator und künstlerische Leiter der diesjährigen 58. Kunst-Biennale (11. Mai bis 24. September) von Venedig Ralph Rugoff hat die Redewendung als übergeordnetes Motto für seine Zentralausstellung gewählt.

„Wir leben tatsächlich in turbulenten Zeiten von weltweiter Migration und Flüchtlingen, in Gesellschaften mit großer Ungleichheit von arm und reich. Wir nutzen ein vermeintlich freies Internet, in dem Falschinformationen, Fake News zirkulieren und in Zeiten von Twitter, wo Wirklichkeit simplifiziert wird,“ so der 1957 in New York geborene Ausstellungsmacher, der seit 2006 als Direktor der Hayward Gallery, der renommierten Kunsthalle an der Londoner Southbank, fungiert. 

Mit seinen insgesamt 78 bis 79 ausgewählten Künstler*innen (erstmals mit gleicher Anzahl an weiblichen und männlichen Künstlern) hat er im Gegensatz zu vorherigen venezianischen Kunstshows die Teilnehmer*innen um die Hälfte reduziert: „Ein Platzgewinn für den einzelnen“. Überhaupt müssen die Künstler*innen noch aktiv sein, um mit ihrer zeitgenössischen Kunst die aktuellen Zeiten reflektieren zu können. Ein weiteres Novum: Wenigstens zwei ihrer Arbeiten werden gezeigt, getrennt einmal in den Giardini und im Arsenale mit einer völlig anderen Arbeit. Zu den etabliertesten Kunstschaffenden der diesjährigen Venedig-Biennale zählen Rosemarie Trockel, Christian Marclay, Hito Steyerl, Jimmie Durham, Otobong Nkanga, Danh Vo, Shilpa Gupta und Tomás Saraceno.

Den weit größeren Teil der Biennale machen die 91 unterschiedlichen nationalen Teilnehmer*innen in den Pavillons und den Nebenausstellungen in den venezianischen Palästen und weiteren Locations verteilt über die Stadt aus. Erstmals bei der Biennale dabei sind Algerien, Ghana, Madagaskar und Pakistan, die Dominikanische Republik und Kasachstan feiern Premiere in einem eigenen nationalen Pavillon (Notiz: Wie am 28.3. via Facebook bekannt wurde, hat Kasachstan seine Teilnahme an der Venedig-Biennale zurückgezogen. Mehr dazu ist zu lesen auf artnet.com)

Der deutsche Pavillon wird in diesem Jahr von der Künstlerin Sadr Haghighian bespielt, die auch eine Professur für Bildhauerei in Bremen inne hat. Als fiktive „Natascha Süder Happelmann“ spielt sie mit Identitäten. 2004 gründete sie mit bioswop.net eine Tauschbörse für Lebensläufe, um den Fokus weg von den Künstler*innen, hin zu ihren Werken zu richten. In dieser Identität wirkt sie so dann auch in Venedig. Haghighians Arbeit artikuliere sich in „Text, Bild, Raum und Sound“, sagt Franciska Zólyom, Kuratorin des deutschen Pavillons und Direktorin der Galerie für Zeitgenössische Kunst Leipzig.

Die Kunstbiennale Venedig: 11. Mai-24.November 2019. www.labiennale.org